Wenn Schlafstörungen und Depression Hand in Hand gehen: Ein unterschätzter Zusammenhang. Gastbeitrag von Schlafpsychologin Dr. Castritius

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Gastbeitrag von Schlafpsychologin Dr. Sarah Castritius
Kennst du das auch? Du liegst nachts wach, grübelst, kannst nicht einschlafen – und am nächsten Tag fühlst du dich nicht nur müde, sondern auch niedergeschlagen und antriebslos. Was viele nicht wissen: Schlafstörungen und Depression sind eng miteinander verwoben. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und birgt wichtige Erkenntnisse für Prävention und Behandlung.

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Die bidirektionale Beziehung: Schlaf und Depression beeinflussen sich gegenseitig

Die Forschung zeigt eindeutig: Der Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Depression ist keine Einbahnstraße, sondern verläuft in beide Richtungen. Eine große norwegische Studie mit fast 25.000 Teilnehmern über 11 Jahre konnte nachweisen, dass beide Störungen sich gegenseitig vorhersagen können. Menschen, die zu Beginn der Studie an Schlafstörungen litten, hatten ein 6,2-fach erhöhtes Risiko, eine Depression zu entwickeln. Umgekehrt hatten Personen mit anhaltender Depression ein 6,7-fach erhöhtes Risiko, eine Schlafstörung zu entwickeln (Sivertsen et al., 2012). Es gibt also ein beide Richtungen einen deutlichen Zusammenhang.

Schlafprobleme als Teil der Depression-Diagnose

Tatsächlich gehen Depressionen fast immer mit Schlafproblemen einher. Laut DSM5 – dem aktuellen Standardwerk zur Diagnose und Klassifikation psychischer Erkrankungen – sind Schlafstörungen sogar ein diagnostisches Kriterium der Depression. Bei affektiven Erkrankungen leiden nahezu alle Patienten unter Ein- oder Durchschlafstörungen.

Dies bedeutet aber nicht, dass Schlafprobleme nur ein „Nebensymptom“ sind, das automatisch verschwindet, wenn die Depression behandelt wird. Im Gegenteil: Häufig bleiben Schlafstörungen bestehen, selbst wenn die Depression erfolgreich behandelt wurde.

Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie) erhöhen das Risiko für Depressionen

Die wissenschaftliche Evidenz ist eindeutig: Schlafstörungen sind ein unabhängiger Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer Depression. Eine Meta-Analyse zeigt, dass Menschen mit Insomnie ein 2,1-fach erhöhtes Risiko haben, später eine depressive Episode zu erleben (Baglioni et al., 2011).

Dies ist besonders bedeutsam, denn es eröffnet ein wichtiges Zeitfenster für Prävention: Wenn wir Schlafprobleme frühzeitig erkennen und behandeln, könnten wir möglicherweise die Wahrscheinlichkeit verringern, dass sich eine Depression entwickelt.

Was sich im Schlaf bei Depression verändert

Der Schlaf von Menschen mit Depression zeigt charakteristische Veränderungen, die sich in Schlaflaboren messen lassen:

  • Gestörte Schlafkontinuität: Längere Einschlafzeiten und häufiges nächtliches Erwachen
  • Reduzierter Tiefschlaf: Weniger erholsame Tiefschlafphasen
  • Veränderte REM-Schlaf-Regulation: Der REM-Schlaf (Traumschlaf) ist bei Depression „enthemmt“ – er tritt früher auf (verkürzte REM-Latenz), dauert länger an und zeigt eine höhere Dichte an Augenbewegungen

Interessanterweise ist es kein Zufall, dass nahezu alle antidepressiven Medikamente den REM-Schlaf beeinflussen: Sie unterdrücken oder verringern ihn nämlich. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Regulation des REM-Schlafs eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Behandlung von Depressionen spielt. Die genauen Zusammenhänge sind allerdings noch Gegenstand aktueller Forschung (Riemann et al., 2019).

Die überraschende Wirkung von Schlafentzug

Eine der faszinierendsten Erkenntnisse der Schlafforschung: Ein vollständiger Schlafentzug über 24 Stunden kann bei etwa 45-50% der Patienten mit schwerer Depression zu einer vorübergehenden Besserung der depressiven Symptome führen (Boland et al., 20217).

Der sogenannte „Schlafentzug“ oder die „Wachtherapie“ wird häufig zu Beginn einer Depressionsbehandlung eingesetzt. Die Symptome der gedrückten Stimmung können sich dadurch temporär bessern – leider ist dieser Effekt nicht von langer Dauer und kehrt meist nach der nächsten Schlafperiode zurück.

Dennoch kann diese Erfahrung für Betroffene wertvoll sein: Sie gibt ihnen ein Gefühl dafür, was ohne die depressive Stimmung möglich wäre, und kann Hoffnung für die weitere Behandlung geben.

Schlaf als eigenständige Erkrankung behandeln

Ein wichtiger Paradigmenwechsel hat in den letzten Jahren stattgefunden: Schlafstörungen werden nicht mehr nur als Symptom anderer psychischer Erkrankungen betrachtet, sondern als eigenständige Erkrankung, die auch parallel behandelt werden kann.

Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) wirkt auch bei Depression

Besonders vielversprechend ist die Erkenntnis, dass die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) nicht nur den Schlaf verbessert, sondern auch eine gleichzeitig auftretende Depression lindern kann.

Eine aktuelle randomisierte kontrollierte Studie zeigte beeindruckende Ergebnisse: 61% der Teilnehmer, die KVT-I erhielten, waren nach drei Monaten sowohl von ihrer Insomnie als auch von ihrer Depression in Remission – verglichen mit nur 6% in der Kontrollgruppe (Ashworth et al., 2015).

Die KVT-I umfasst Methoden wie:

  • Schlafrestriktion und Stimuluskontrolle
  • Entspannungsverfahren
  • Kognitive Techniken zur Reduktion von Grübeln
  • Schlafhygiene-Empfehlungen

Was du selbst für deinen Schlaf tun kannst

Die gute Nachricht: Es gibt viele psychologische Methoden, die du selbst anwenden kannst, um an deinem Schlaf zu arbeiten. Entspannungsverfahren und Regeln der Schlafhygyiene sind hier ein guter Anfang!

Wann du dir Hilfe holen solltest

Es ist wichtig zu wissen, wann professionelle Unterstützung sinnvoll ist:

Bei Verdacht auf Depression

Depressionen sind behandelbare Erkrankungen, aber du solltest dir unbedingt professionelle Hilfe holen. Warnzeichen sind:

  • Anhaltende gedrückte Stimmung über mehr als zwei Wochen
  • Verlust von Freude und Interesse
  • Antriebslosigkeit und Erschöpfung
  • Schlafstörungen zusammen mit Grübeln oder Hoffnungslosigkeit
  • Gedanken an Selbstverletzung oder Suizid

Bei Verdacht auf Schlafstörungen

Professionelle Hilfe ist ratsam, wenn:

  • Dein Schlaf mehr als 3 Mal pro Woche seit mindestens 3 Monaten nicht erholsam ist
  • Die Schlafprobleme zu deutlichen Einschränkungen deines Wohlbefindens oder deiner Leistungsfähigkeit am Tag führen
  • Du trotz Selbsthilfe-Maßnahmen keine Besserung erfährst

Fazit: Schlaf verdient Aufmerksamkeit

Der enge Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Depression zeigt uns: Guter Schlaf ist kein Luxus, sondern eine Grundlage für psychische Gesundheit. Die Behandlung von Schlafproblemen kann nicht nur die Schlafqualität verbessern, sondern möglicherweise auch das Risiko für Depressionen verringern.

Wenn du unter Schlafproblemen leidest, nimm diese ernst. Mit den richtigen Strategien – sei es durch Selbsthilfe-Methoden oder professionelle Unterstützung – kannst du deinen Schlaf verbessern und damit einen wichtigen Beitrag zu deiner mentalen Gesundheit leisten.

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Quellen

  • Ashworth, D. K., Sletten, T. L., Junge, M., Simpson, K., Clarke, D., Cunnington, D., & Rajaratnam, S. M. (2015). A randomized controlled trial of cognitive behavioral therapy for insomnia: an effective treatment for comorbid insomnia and depression. Journal of counseling psychology62(2), 115.
  • Baglioni, C., Battagliese, G., Feige, B., Spiegelhalder, K., Nissen, C., Voderholzer, U., … & Riemann, D. (2011). Insomnia as a predictor of depression: a meta-analytic evaluation of longitudinal epidemiological studies. Journal of affective disorders, 135(1-3), 10-19.
  • Boland, E. M., Rao, H., Dinges, D. F., Smith, R. V., Goel, N., Detre, J. A., … & Gehrman, P. R. (2017). Meta-analysis of the antidepressant effects of acute sleep deprivation. The Journal of Clinical Psychiatry78(8), 893.
  • Riemann, D., Krone, L. B., Wulff, K., & Nissen, C. (2020). Sleep, insomnia, and depression. Neuropsychopharmacology, 45(1), 74-89.
  • S3-Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ (AWMF-Registernummer 063-003)
  • Sivertsen et al. (2012): The Bidirectional Association Between Depression and Insomnia: The HUNT Study

Autorin: Dr. Sarah Castritius

Dr. Sarah Castritius

Psychologin I Schlafexpertin I Autorin „Schlaf-Notfallkoffer“

Web: www.schlaf-psychologin.com

Sarah ist Psychologin, die sich auf gesunden Schlaf spezialisiert hat. Sie bietet psychologisches Schlafcoaching sowie ein Kartenset zur Selbsthilfe bei Schlafproblemen den „Schlaf-Notfallkoffer“

Wenn du Schlafprobleme hast, die aber noch keine ausgeprägte Schlafstörung oder Depression sind könntest die Techniken aus dem Schlaf-Notfallkoffer von Dr. Sarah Castritius hilfreich sein – ein Kartenset mit wissenschaftlich fundierten psychologischen Methoden für guten Schlaf.

Schlaf-Notfallkoffer von Dr. Sarah Catritius

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